OLG Hamm: Aufklärungspflicht vor Vergleichsabschluss im Zugewinnausgleichsverfahren

Vor dem AG Ahaus hatten sich Eheleute im Scheidungsverbundverfahren vergleichsweise über die Höhe des vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu zahlenden Zugewinns verständigt.

Zu Verfahrensbeginn waren beide Beteiligten irrtümlich zunächst davon ausgegangen, dass die gegenständliche Immobilie im hälftigen Miteigentum stehe. Der Antragsgegner erlangte allerdings vier bis fünf Wochen vor Vergleichsabschluss Kenntnis davon, dass er entgegen der zunächst herrschenden gemeinsamen Vorstellung alleiniger Eigentümer war, klärte dies vor Vergleichsabschluss jedoch nicht auf.

Nachdem der Antragsgegner der Antragstellerin im Rahmen weiterer Auseinandersetzungen nach Vergleichsabschluss eröffnete, dass er „alleine im Grundbuch stehe“, focht die Antragstellerin den Vergleichsabschluss sieben Tage später wegen arglistiger Täuschung bzw. wegen Irrtums an und begehrte vor dem Amtsgericht die Fortsetzung des Zugewinnausgleichsverfahrens. Sie berief sich dabei zudem auf den Umstand, dass das Verhalten des Antragsgegners den Straftatbestand des Betruges erfülle und daher der Vergleich mit Blick auf §§ 134 bzw. 138 BGB nichtig sei.

Das Amtsgericht vertrat die Ansicht, der Vergleich über den Zugewinn sei wirksam und stelle die Verfahrensbeendigung insoweit fest. Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde zum OLG Hamm hatte die Antragstellerin Erfolg, das OLG änderte den Beschluss des Amtsgerichts ab und wies dieses an, das erstinstanzliche Verfahren fortzusetzen.

Nach Auffassung des OLG hat die Antragstellerin den Vergleich wirksam gem. §§ 123 Abs. 1, 124 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten, weshalb dieser in materiell-rechtlicher Hinsicht gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

Der Antragsgegner habe die Gegenseite dadurch arglistig getäuscht, dass er vor Abgabe der auf den Vergleich gerichteten Willenserklärung nicht über die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an der Immobilie aufgeklärt habe.

Hierbei räumt das OLG ein, dass es jeder Prozesspartei zunächst selbst obliege, die eigenen Interessen wahrzunehmen und sich die wesentlichen Informationen, die für einen Vergleichsabschluss benötigt werden zu beschaffen. Grundsätzlich gebe es auch keine allgemeine Rechtspflicht, über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die für den Vertragspartner relevant sein könnten. Demzufolge könnten bloße Rechtsirrtümer ein Anfechtungsrecht nicht begründen.

Im vorliegenden Fall habe der Antragsgegner jedoch auch nach Kenntniserlangung von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen die Fehlvorstellung bei der Antragstellerin nicht nur aufrechterhalten, sondern aktiv durch Schriftsätze bekräftigt. Mit der Rechtsprechung des BGH, wonach dann eine Offenbarungspflicht bestehe, wenn nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung unter den gegebenen Umständen redlicherweise die Mitteilung einer verschwiegenen Tatsache erwartet werden durfte, erkannte das OLG in der Eigentumssituation eine wichtige Tatsache, die für die Willensbildung der Antragstellerin von ausschlaggebender Bedeutung und die geeignet war, bei Fehlerhaftigkeit einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Dem Antragsgegner sei auch einige Zeit vor dem Abschluss des Teilvergleichs bewusst geworden, dass die Antragstellerin bei Aufklärung ihrer Fehlvorstellung den Vergleich nicht abgeschlossen hätte, da sie bei Annahme der richtigen Eigentumssituation eine höhere Ausgleichszahlung hätte fordern können und insofern den Vergleich, wie er zustande kam nicht abgeschlossen hätte.

Die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des Irrtums für die Antragstellerin ergibt sich laut OLG auch aus dem Umstand, dass sie umgehend nach Kenntnis von der tatsächlichen Sachlage die Anfechtung über ihre Anwälte erklären ließ.

 

(mitgeteilt von RA. Lang)