Vor dem Amtsgericht Hamburg-Bergedorf stritten sich der Geschädigte und dessen Unfallgegner nebst Haftpflichtversicherer um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der hinsichtlich der Verursachungsquote unstreitig war.
Gegenstand des Streits war die Frage, ob der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt geltend machen durfte oder sich von dem Beklagten auf die niedrigeren Sätze einer beklagtenseits benannten, ausreichend fachkompetenten freien Fachwerkstatt verweisen lassen musste.
Der Kläger hatte an seinem zum Entscheidungszeitpunkt rund 9 ½ Jahre alten Mercedes-Benz Kombi 320 T, Laufleistung 123.700 km an der Heckklappe und am Spoiler einen Streifschaden erlitten. Sämtliche vormals am Fahrzeug durchgeführten Reparaturen hatte der Kläger in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen, die Wartungsarbeiten/Inspektionen in den letzten fünf Jahren vor dem Unfallereignis in einer freien Fachwerkstatt.
Das Amtsgericht gewährte dem Kläger lediglich die niedrigeren Nettoreparaturkosten der freien Fachwerkstatt, auf die Berufung des Klägers hin hat das Landgericht Hamburg das erstinstanzliche Urteil abgeändert und auch die höheren fiktiven Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugesprochen.
Das Landgericht begründet die Entscheidung damit, dass es auf die vom Hersteller vorgegebenen Inspektionen einer markengebundenen Fachwerkstatt vorliegend nicht ankomme. Vielmehr sei entscheidend auf die Durchführung sämtlicher Reparaturarbeiten in einer markengebundenen Fachwerkstatt in der Vergangenheit abzustellen, die eine jetzige Verweisung auf eine freie Werkstatt für den Kläger unzumutbar machten.
Auf die beklagtenseits eingelegte Revision hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts zurück.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH darf ein Geschädigter im Rahmen einer fiktiven Abrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, es sei denn der Schädiger legt dar und beweist im Bestreitensfall, dass eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt einen gleichen Qualitätsstandard garantiert und keine Umstände vorliegen, wonach eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar sei.
Eine solche Unzumutbarkeit liegt nach der Rechtsprechung des BGH im Allgemeinen bereits vor, wenn das beschädigte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war.
Bei älteren Fahrzeugen ist eine Verweisung auf eine freie Fachwerkstatt dann unzumutbar, wenn der Geschädigte belegen kann, dass sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert wurde. Der BGH begründet seine Auffassung damit, dass bei einem großen Teil des Publikums die Einschätzung bestehe, bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Fahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt bestehe eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass diese auch ordnungsgemäß erfolgt sei.
Im vorliegenden Fall präzisierte der BGH seine vorstehende Rechtsprechung dahingehend, dass es für die Beurteilung der Unzumutbarkeit nicht auf die subjektive Sicht des Geschädigten ankommt.
Gem. § 251 Abs. 2 S. 1 BGB, bei dem es sich um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben handle, gehe es um die Beantwortung der Frage, ob ein ordentlicher und verständiger Mensch anstelle des Geschädigten zur Schadenrestitution das Fahrzeug in eine markengebundene Fachwerkstatt geben würde, wobei die persönliche Situation des Geschädigten zu berücksichtigen ist.
Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft auf die subjektive Zumutbarkeit für den Geschädigten abgestellt.
Nach Auffassung des BGH ist es jedoch für einen ordentlichen und verständigen Menschen vorliegend zumutbar, das Fahrzeug in einer freien Fachwerkstatt reparieren zu lassen, da dieses seit fünf Jahren keinerlei Inspektionen mehr in einer markengebundenen Fachwerkstatt erhalten hatte.
Hierbei komme es nach Auffassung des BGH nicht auf Reifenwechsel oder ähnliche Wartungen, sondern um die herstellerseitig vorgegebenen Inspektionen an, die im Scheckheft typischerweise gestempelt werden. Der Kläger habe keinen Wert darauf gelegt, dass eine markengebundene Fachwerkstatt sein Fahrzeug regelmäßig wartet. Er habe deshalb auch bei einem potentiellen Verkauf des KFZ entsprechende Angaben nicht werbewirksam einsetzen dürfen.
Allein der Umstand, dass sämtliche Reparaturen in einer markengebundenen Fachwerkstatt ausgeführt wurden genügt angesichts des Fahrzeugalters von 9 ½ Jahren und der leichten Beschädigungen nicht, um eine Unzumutbarkeit der Verweisung auf die freie Fachwerkstatt begründen zu können.
Damit konkretisierte der BGH die bereits bestehende Rechtsprechung, dass bei mehr als drei Jahre alten Fahrzeugen zur Vermeidung einer Verweisung auf die freien Fachwerkstätten im Rahmen der fiktiven Abrechnung nicht nur sämtliche Reparaturen in der Vergangenheit, sondern grundsätzlich alle herstellerseitig vorgegebenen Inspektionen nachgewiesen werden müssen, da diese „Scheckheftrelevanz entfalten.
BGH, Urteil vom 07.02.2017, Az.: VI ZR 182/16
(mitgeteilt von RA. Michael Lang)