Das OLG Koblenz hat sich mit Beschluss vom 4.3.2020 (Az. 9 UF 674/19) nach Entscheidungen in den Jahren 2006, 2008 und 2015 erneut mit der insbesondere für unterhaltspflichtige Grenzgänger relevanten Frage der Anrechnung luxemburgischer Familienzulagen befasst.
Zuvor hatte das OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 21.1.2016 Kritik an der Rechtsprechung der rheinland-pfälzischen Kollegen geübt und die Auffassung vertreten, dass luxemburgische Kindergeldleistungen hälftig auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen sind und die Schulanfangszulage vollständig, da ansonsten gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit der Barunterhaltsleistung und der Betreuungsleistung verstoßen werde.
Mit dem nunmehr jüngst veröffentlichten Beschluss hat der 9. Senat des OLG Koblenz seine bisherige Rechtsprechung mit Blick auf die zwischenzeitlich bestehende Rechtslage aufgegeben und rechnet luxemburgische Familienleistungen insgesamt hälftig auf den Kindesunterhalt an, soweit sie das deutsche Kindergeld übersteigen.
Damit werden einige erstinstanzliche rheinland-pfälzische Familiengerichte, die sich bereits der Rechtsauffassung des OLG Saarbrücken angeschlossen haben, ihre Rechtsprechung umstellen müssen.
Das OLG Koblenz begründet seine nunmehrige Rechtsauffassung wie folgt:
Die hälftige Anrechnung der luxemburgischen Familienleistungen ergibt sich unmittelbar aus der Vorschrift des § 1612b BGB. Im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das deutsche Kindergeld trotz seiner nationalen Handhabung als Steuervergütung eine dem europäischen Sozialrecht unterliegende Familienleistung darstellt, gelten die insoweit maßgeblichen Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 (jetzt VO (EG) Nr. 883/2004) und 574/72, beide zuletzt geändert durch VO (EWG) Nr. 1399/99.
Mit der Rechtsprechung des EuGH (Entscheidung vom 8.5.2014, Az. C-347/12) sind die luxemburgischen Familienzulagen als Familienleistungen im Sinne der Verordnung anzusehen, zumal eine Abgrenzung aufgrund ausschließlich formaler Kriterien wegen des verordnungsimmanenten Kumulierungsverbotes ausscheidet. Auch der mittlerweile im Großherzogtum Luxemburg nur noch in Altfällen gezahlte boni pour enfant ist als Familienleistung im Sinne der Verordnung und damit als Kindergeld im Sinne des § 1612b BGB zu verstehen.
Die vom Großherzogtum Luxemburg gewährte Schulanfangszulage stellt ebenfalls eine Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne der Verordnung dar und unterfällt der unmittelbaren Anwendung des § 1612b BGB. Eine unterschiedliche Behandlung der Schulanfangszulage und der Familienzulage, wie sie das OLG Saarbrücken vornimmt, lehnt das OLG Koblenz ab.
OLG Koblenz, Beschluss vom 4.3.2020, Az. 9 UF 674/19
(mitgeteilt von RA. Michael Lang)